Skulpturen erschaffen: Ideen nehmen Gestalt an

Skulpturen erschaffen, Bildhauer

„Das habe ich gemacht!“, sagen Kinder strahlend und stolz, wenn sie ihr neues Werk präsentieren. Und es ist aufregend, diese kindliche Freude am Gestalten wiederzuentdecken – zum Beispiel in einem Bildhauerkurs.

Es klopft, es schlägt, es hämmert, immer wieder, in sieben unterschiedlichen Rhythmen. Metall trifft auf Stein und mit der Kraft des Aufschlags lösen sich Steinstücke, die zu Boden fallen. Auf dem Gelände der idyllisch inmitten von Feldern und Wiesen gelegenen Alten Ziegelei Mainz findet der Kurs „Sandsteinskulptur“ statt. An diesem sonnigen Wochenende haben wir uns mit unserem Sandstein einen Platz im Schatten der Bäume gesucht. Denn das Bildhauern ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Schon am Vortag hat uns Bildhauerin Gudrun Schuster in die Material- und Werkzeugkunde eingeführt und uns die Vorgehensweise und Technik des Bildhauens erklärt.

Wie nimmt der Stein eine neue Form an?

Bevor der Stein bearbeitet wird, muss folgende Frage beantwortet werden: Welche Gestalt will ich dem Stein entlocken? Dabei ist zu beachten, dass Sandstein relativ porös ist. Sich von den filigranen Skulpturen Giacomettis inspirieren zu lassen, ist in diesem Fall keine gute Idee. Steinstücke können leichter abbrechen, eine kompakte Form ist deshalb sehr zu empfehlen. Bevor wir den Stein bearbeiten, formen wir aus Ton ein kleines Modell unserer Idee. Sie dient der Orientierung und hilft, vom zweidimensionalen Sehen auf das dreidimensionale umzuschalten. Sobald das Tonmodell vor uns steht, wird mit Fäustel und Schlageisen eine flache Unterseite gehauen, damit die Skulptur später sicher steht. Mit Kreide wird auf dem Stein markiert, was weggeschlagen werden muss. Dann heißt es: Schutzbrille aufsetzen und los. Immer von innen nach außen arbeiten! Das Schlageisen im richtigen Winkel halten! Mit einer ausholenden, weichen Bewegung schlagen! Bloß nicht aus dem Handgelenk heraus!

Die Wirkung der Steine

Dabei sieht es so einfach aus, wenn unsere sehr zierliche Lehrerin den Stein haut. Es ist, als ob er sich ihr völlig widerstandslos ergibt. Bei mir reagiert er deutlich trotziger. Aber auch ich kann hartnäckig sein und ich klopfe und haue und schlage, bis der Stein endlich nach- und die gewünschte Form zaghaft preisgibt. Die Konzentration auf die Form, das Material und die gleichförmigen Bewegungen versetzen in einen meditativen Zustand, alles andere ist in diesem Prozess der Gestaltung vergessen, es gibt nur den Stein und mich. Erst in der Pause, wenn wir unsere Schutzbrillen absetzen, uns auf den Boden setzen, essen und trinken, melden sich unsere Armmuskeln und die kleinen Blessuren an den Händen. Unserer gelösten Stimmung kann dies nichts anhaben und nach der Stärkung können wir es nicht abwarten, wieder das Werkzeug in die Hand zu nehmen. Schuster geht von Teilnehmer zu Teilnehmer, sie hilft und gibt Tipps. Wir lernen langsam, das Werkzeug besser zu benutzen, der Sinn für Proportionen und Form ist zunehmend geschärft. Am Ende des zweieinhalbtägigen Kurses stehen wir erschöpft und glücklich vor unseren Werken: darunter eine Eidechse und eine Muschel, ein Bär und ein Drache. Auch mein eigenwillig abstrakter Stein ist dabei. „Das habe ich gemacht!“, sage ich natürlich nicht, denn schließlich bin ich älter als sechs Jahre. Aber ich denke es und lächle in mich hinein.

Was Sie brauchen:

Einen Sandstein, erhältlich direkt bei einem Steinbruch oder bei den Kursleitern. Werkzeug und Zubehör: Fäustel, Klüpfel, Schlageisen, Spitzeisen, Schutzbrille, evtl. Handschuhe (wird oft gestellt). Kurse werden von vielen Volkshochschulen angeboten. Oder Sie verbinden den Kurs mit einem Kreativurlaub, zum Beispiel im Wendland. Mehr unter www.stein-art.net.

Experten-Interview

 3 Fragen an Bildhauerin Gudrun Schuster

Gudrun Schuster gibt neben ihrer Arbeit als freischaffende Künstlerin Bildhauerei-Kurse an Volkshochschulen.

Sie haben Bildhauerei studiert. Was fasziniert Sie an dieser Kunst besonders stark?

Den Schlüsselmoment erlebte ich in der Oberstufe, als ich in meinem Kunst-Leistungskurs eine riesige Kaffeebohne aus Ton plastizierte. Der schöpferische Prozess ist geprägt von einer langsamen Entwicklung, einem langsamen Entstehen, ganz gleich ob abtragend oder additiv. Das beeindruckte mich.

Welche speziellen Herausforderungen liegen in der Bildhauerei?

Ich finde, es ist vor allem der Dialog mit dem Material. Sich also immer wieder auf seine typischen Eigenschaften einzulassen, darauf zu konzentrieren und darauf einzugehen.

Mit welchem Material sollten Anfänger am besten beginnen?

Am besten fängt man mit einem mittelharten Stein wie Sandstein an. Seine Beschaffenheit ist homogen, das macht es leichter als Holz mit den verschiedenen Wuchsrichtungen. Zuerst wird aber ein Tonmodell angefertigt, das dann auf den Stein übertragen wird.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

fünf × eins =