Freizeitkrank

Krank im Urlaub

Der Flug steht kurz bevor, die Post-its zieren schon den Reiseführer, die Vorfreude steigt. Doch kaum ist die letzte Mail verschickt, hat uns eine fiese Erkältung fest im Griff. Ist das einfach mieses Karma oder steckt doch mehr dahinter?

Anfang Juni nehme ich keinen Urlaub mehr. Nie wieder. Warum? Weil ich keine Lust habe, an meinem Geburtstag krank zu sein. Denn kaum naht die arbeitsfreie Zeit, liege ich regelmäßig flach. Ganz egal, ob ich vorher Unmengen gesundes Grünzeug esse oder Vitaminpillen schlucke – sobald ich den letzten Arbeitstag hinter mir habe und die Kollegin übernommen hat, kratzt der Hals, trieft die Nase oder mir ist schlecht. Die Welt ist einfach ungerecht. Doch ich scheine nicht allein zu sein. Glaubt man einer Studie der niederländischen Universität Tilburg aus dem Jahr 2002, werden rund drei Prozent aller Urlauber krank. 2015 war im Urlaubsreport der Krankenkasse DAK zu lesen, dass fast jeder Fünfzehnte in seinem Sommerurlaub krank oder verletzt gewesen sei, 44 Prozent der Erkrankten hatten eine Erkältung. Mittlerweile weiß ich, dass dieses Leiden sogar einen Namen hat: Leisure Sickness, was soviel heißt wie „Freizeitkrankheit“.

In seiner Studie von 2002 befragte der Psychologe Adrian Vingerhoets 1.128 Männer und 765 Frauen im Alter von 16 bis 87 Jahren und verglich die Aussagen der Ferien-Rotznasen mit denen gesunder Urlauber. Mit interessanten Unterschieden: Die Urlaubskranken klagten häufiger über Stress im Job. Es fiel ihnen schwerer, einfach abzuschalten. Die Befragten seien Perfektionisten mit ausgeprägtem Verantwortungsgefühl, sodass sie freie Tage nicht richtig genießen könnten. Erwischt! Ich gebe zu, mir geht es ähnlich. Obwohl ich mich dafür selbst nicht leiden kann, tippe ich zu Hause häufig wild auf meinem Smartphone herum, um keine dringliche Arbeits-E-Mail zu verpassen. Und sonntags gehe ich vor meinem inneren Auge leicht autistisch die Termine für die kommende Woche durch. Ich befürchte, ich bin mitschuldig an meiner Misere. Denn sowohl akuter als auch chronischer Stress soll biochemisch auf das Immunsystem wirken. Ronald Glaser von der Ohio State University definiert zwei wichtige Folgen: Stress macht anfällig für bakterielle und virale Infekte, Entzündungen und Autoimmunerkrankungen und er unterdrückt die Immunantwort, das heißt Wunden heilen langsamer, Krankheitssymptome treten zeitverzögert auf – erst wenn der Stress sich legt, kümmert sich der Körper um die Keime. Ein typischer Fall von Freizeitkrankheit.

Doch ein paar einfache Dinge tragen zur Verbesserung bei. Kleine Bewegungseinheiten im Alltag beispielsweise sollen der beste Stresskiller sein. Wieso also nicht mal ein kleiner Spaziergang in der Mittagspause? Und ganz wichtig: Auszeiten am besten bewusst genießen, denn wenn der Kopf woanders ist, bringt auch die tollste Unternehmung nichts. Oder wie der Psychologe Jens Corssen sagt: „Da wo ich bin, will ich sein!“

Ich habe mir jetzt vorgenommen, regelmäßigere und dafür kürzere Pausen zu nehmen, damit der Stress nicht überhandnimmt. Und ich gelobe, mich mehr zu bewegen und nicht jeden Abend faul auf der Couch zu liegen. Urlaub nehme ich trotzdem keinen mehr an meinem Geburtstag. Ist zwar blöd, aber ich bin einfach keine risikobereite Draufgängerin und doch lieber im Winter krank! rs //

Redakteurin Rena Schäfges plant ihre Urlaube danach, wann es am praktischsten ist, krank zu sein. Und sie ist nicht allein.

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