Verhaltensforschung: Liebe – was ist das?

Wie sich Wissenschaftler diesem typisch menschlichen Phänomen nähern.

Ein direkter Weg zur Liebe führt zum nächsten Kiosk. Dort genügt ein Blick ins Regal: Kaum ein Magazin oder Klatschblatt kommt ohne aus – Liebe auf und von allen Seiten. Ratgeberhefte erklären, wann eine Partnerschaft zum Scheitern verurteilt ist, wie sie sich noch retten lässt und welche Sexpraktiken neuen Schwung in das Dasein eines Paares bringen.

Schwer zu erkennen, welche dieser Weisheiten wissenschaftlich fundiert sind. Eine gewisse Zurückhaltung beim Umsetzen der Tipps schadet also nicht. Vermutlich würden viele der Liebesexperten von heute sogar dem Dichter Heinrich Heine zustimmen. Der schrieb vor 150 Jahren: „Was Prügel sind, weiß man schon; was aber Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht.“

Seit Jahren unternehmen Forscher gehörige Anstrengungen, um das typisch menschliche Gefühl mit Experimenten zu ergründen, in Daten zu fassen und auf eine verständliche Formel zu bringen. Geglückt ist das bisher nicht.

Professor Gerald Hüther, Neurobiologe an der psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen, der sich seit Jahren mit dem Phänomen beschäftigt, geht sogar so weit zu sagen:

„Bis heute gibt es nicht einmal eine Definition der Liebe. Bestenfalls ließe sich beschreiben, was sie nicht ist: bloße Zärtlichkeit, bloße Erotik, bloße Fürsorge. Liebe ist nicht einfach nur eine Bindung und auch nicht nur Sympathie.“

Trotz der Schwierigkeit, diese wesentliche Triebkraft der menschlichen Existenz in Worte zu fassen, lohnt sich der Blick in die Labors der Liebesforscher.

Manche Wissenschaftler versuchen mit Hightech-Messverfahren zu erkunden, welche Gehirnbereiche bei Liebenden aktiv sind.

Soziologen und Anthropologen diskutieren, ob der Mensch überhaupt für ein Leben in Monogamie geschaffen ist.

Bei ihren Studien fördern die Experten Sinnvolles zutage – aber auch sehr viel Absurdes.

Signalwege der Lust

Am besten wissen die Forscher darüber Bescheid, welche komplexen und vielstufigen Prozesse bei sexueller Erregung und beim Geschlechtsverkehr im Körper ablaufen. Einmal durch einen Lustreiz aktiviert – sei es durch einen Kuss, eine Berührung oder ein optisches Signal -, beginnt der Hypothalamus, eine wichtige Steuerregion des Gehirns, bestimmte Botenstoffe auszuschütten (siehe Grafik oben).

Zum einen werden Dopamin und Endorphine freigesetzt, die ein Hochgefühl auslösen. Zum anderen schickt dieses Hirnareal sogenannte Releasinghormone an die Hirnanhangsdrüse, die Hypophyse. Der Gewebelappen gibt daraufhin weitere Hormone ab, die bei der Frau die Eierstöcke und beim Mann den Hoden stimulieren.

Die Folge: Im Blut steigt der Gehalt an den Geschlechtshormonen Östrogen, Progesteron und Testosteron. Diese wirken wiederum zurück auf bestimmte Bereiche im Gehirn und verstärken dort das Lustgefühl.

Der Regelkreis der Erregung ist damit allerdings noch nicht vollendet. Über Nervenverbindungen im Rückenmark wirkt das Aufwallen sexueller Lust zudem auf die Nebennierenrinde ein. Sie gibt das Aufputschhormon Adrenalin in das Blut ab, wodurch sich der Herzschlag und die Atmung beschleunigen. Der ganze Organismus gerät zunehmend in Aufruhr – bis der Höhepunkt erreicht ist: der Orgasmus. In diesem Zustand schüttet der Hypothalamus eine ganze Ladung an Hormonen aus, darunter auch Oxytocin. Dieser Botenstoff wirkt gezielt auf das „limbische System“, ein wichtiges Gefühlszentrum des Gehirns, in dem unter anderem Glücksgefühle entstehen.

Das Bindungshormon

Nicht nur auf dem Gipfel sexueller Leidenschaft wird dieses Hormon in hohen Dosen ausgeschüttet. Wie die schwedische Professorin Kerstin Uvnäs-Moberg vom Karolinska-Institut zeigen konnte, reicht für einen Anstieg der bloße Körperkontakt aus, also ein Streicheln oder ein Liebkosen. Einige Wissenschaftler halten den Stoff daher für einen biochemischen „Kitt“, der intensive menschliche Beziehungen wie die Eltern-Kind-Bindung und Partnerschaften stabilisiert.

Das glaubt auch Professor Gareth Leng von der Universität Edinburgh in Schottland: „Unseren Studien zufolge führt Oxytocin zu dauerhaften Strukturveränderungen in Hirnarealen, die bei Liebenden besonders aktiv sind.“

Untermauert wird diese These durch die dämpfenden physiologischen Effekte des Bindungshormons – unter anderem senkt der Botenstoff Blutdruck und Herzschlag. Kurz: Er wirkt wie ein Anti-Stress-Mittel. Zufrieden und ausgeglichen fühlt sich der Oxytocin-durchflutete Mensch – ganz wie in einer erfüllten Liebesbeziehung.

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