Gleichgewichtsstörungen – Alles in Balance?

Balance

Er arbeitet im Verborgenen. Wir brauchen ihn, um nicht umzufallen, um aufrecht zu gehen, schlichtweg, um unseren Alltag zu bewältigen: unseren Gleichgewichtssinn. Besonders älteren Menschen macht er oft zu schaffen. Doch immer häufiger führt Bewegungsmangel schon bei Kindern zu eingeschränkten sensomotorischen Fähigkeiten. Gleichgewichtstraining kann helfen, in Balance zu bleiben.

So klein und doch so wichtig: das Gleichgewichtsorgan (Vestibularapparat). Gut versteckt sitzt es im Labyrinth des menschlichen Innenohres. Gemeinsam mit den Augen und den Rezeptoren der Tiefensensibilität, welche unter anderem Signale von Muskeln, Gelenken, Sehnen und der Haut aufnehmen, steuert es unser Gleichgewicht. Und auch das Gehirn ist hierbei ein wichtiger Mitspieler, denn es verarbeitet alle Informationen, die ihm diese Teilsysteme liefern, und ermöglicht es uns so, Lagewechsel unseres Körpers sowie Bewegungen wahrzunehmen und uns im Raum zu orientieren.

Doch vergangene und akute Verletzungen, Krankheiten oder das Alter beispielsweise können die Funktion unseres Gleichgewichtssystems stören. Bei andauerndem Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen sollten Sie die Ursache zunächst von einem Arzt abklären lassen. Meist ist es aber unser Alltag, der für eine Verkümmerung des Gleichgewichtssinnes sorgt. Ständiges Sitzen, die Arbeit an Computer, Tablet und Co. sowie Bewegungsmangel im Allgemeinen sind die Hauptursachen. Auch eine 2013 veröffentlichte Studie des Robert-Koch-Instituts Berlin zeigt, dass zu wenig Bewegung mehr negative Folgen hat, als es auf den ersten Blick scheint. Die Studie untersuchte das Unfallgeschehen bei Erwachsenen in Deutschland. Am häufigsten wurden Unfälle demnach durch Stürze (29,8 Prozent) aus der Höhe (etwa von einer Leiter) oder in der Ebene (zum Beispiel bei Glatteis) verursacht.

Ein weiteres Problem: Immer häufiger zeigt sich auch bei Kindern, dass Bewegungsmangel (durch langes Sitzen in der Schule, Computerspiele et cetera) die sensomotorischen Fähigkeiten stark einschränkt. Vielen fällt es schwer, auf einer Linie zu laufen oder rückwärts zu gehen. Die gute Nachricht: Kinder, die sich ausreichend bewegen, benötigen in der Regel kein spezielles Gleichgewichtstraining. Rennen, Springen, Hüpfen, Klettern, Balancieren oder Barfußlaufen verbessern die Gleichgewichtsfertigkeiten nämlich ganz nebenbei. Also, nichts wie raus! Und auch für uns Erwachsene ist das ein gutes Vorbild, denn schon kleine alltägliche Veränderungen können helfen, die Balance zu verbessern (siehe Tipps im Kasten).

Wackeln fürs Gleichgewicht

Zusätzlich kann es sinnvoll sein, unser Gleichgewicht und damit die dafür wichtigen tief liegenden Muskelschichten dauerhaft und gezielt zu trainieren, weil wir sie im Alltag oft vernachlässigen. „Als sich die Menschen täglich noch mehr bewegen mussten, wurde die Tiefenmuskulatur automatisch mittrainiert. Deshalb war früher für die Allgemeinbevölkerung ein Training dieser Muskeln noch kein so dringendes Thema“, sagt Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln dazu. Ein Gleichgewichtstraining spreche eben diese tief liegenden Muskeln an, die wir nicht bewusst anspannen können, so der Sportwissenschaftler.
In der Sturzprophylaxe, in Reha-Einrichtungen, in Fitnessstudios sowie im Breiten- und Leistungssport setzt man für dieses Training verschiedene Hilfsmittel wie beispielsweise Balance-Pads, -Boards und -Kissen, andere instabile Untergründe und Gymnastikbälle ein. Das soll Verletzungen vorbeugen oder nach Unfällen und Operationen wie einem Kreuzbandriss die Genesung unterstützen, indem es Muskeln schonend wieder aufbaut und für eine bessere Koordination der verschiedenen Muskelpartien untereinander sorgt. Besonders Menschen mit Rückenschmerzen kann die Stimulation der tief liegenden stabilisierenden Muskelschichten helfen. Die Balance-Hilfsmittel haben meist eine glatte, manchmal auch aufgeraute Oberfläche, bestehen aus Schaumstoff oder sind mit Luft gefüllt. Um darauf zu stehen, ist unser Gleichgewichtssinn beziehungsweise unser ganzer Körper mit vielen Muskelpartien gefordert. Ständiges Ausbalancieren ist angesagt. Wichtig ist jedoch, dass wir unser Gleichgewicht nicht einseitig nur auf „wackeligen“ Untergründen trainieren. Ein ganzheitliches Gleichgewichtstraining beinhaltet zusätzlich unterschiedliche Körper-, Augen- und Kopfbewegungen und deren Kombination auch auf stabilem Grund.

In Bewegung bleiben

Fest steht also: Wir müssen in Bewegung bleiben, um unsere Balance nicht zu verlieren – das gilt für alle Altersklassen. Gleichgewichtsübungen können den Lieblingssport wunderbar ergänzen, aber auch die Integration kleiner und kurzer Übungen in den Alltag kann schon viel bewirken. Viele Pilates- oder Yoga-Figuren stärken ebenfalls die Tiefenmuskulatur. Und selbst ohne spezielle Balance-Geräte ist es möglich, unterwegs, zu Hause oder im Büro kurz etwas für das Gleichgewicht zu tun; eine zusammengerollte Yogamatte, ein festeres Kissen oder einfach der Bordstein unterstützen uns dabei. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Wackeln! rs //

Tipps für einen bewegten Alltag

Kinderleicht? Die Kleinen machen es vor: Balancieren Sie auf dem Weg zur Arbeit doch auch einfach mal den Bordstein entlang. Aber Vorsicht! Nicht den Verkehr aus den Augen verlieren.
Einmal Flamingo sein! Telefonieren oder bügeln Sie ab und zu auf einem Bein wie ein schlafender Flamingo.
Unten ohne: Laufen Sie öfter mal barfuß, am besten auf unterschiedlichen Untergründen. Füße, Knöchel und Beine müssen ohne Schuhe Unebenheiten viel stärker ausbalancieren.

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