Alles in Ordnung?

Ordnungsliebe

Platz für das Wesentliche schaffen – das klingt verlockend. Jeder Deutsche besitzt im Durchschnitt 10.000 Gegenstände und befindet sich damit in bester Konsumgesellschaft. Wer da seinen Besitz nicht ordnet, dem droht Chaos. Doch es gibt eine Strategie gegen die Flut der Dinge, die auch Glück, Selbstbewusstsein und Ausgeglichenheit verspricht.

Aufgeräumt nennt man gut gelaunte Menschen in bester Stimmung. Menschen, bei denen alles in Ordnung ist. Auch ihr Zuhause, wenn es nach einem japanischen Sprichwort geht. Es besagt: „Die Unordnung im Zimmer entspricht der Unordnung im Herzen.“ Kurz: Aufgeräumt ist, wer aufgeräumt hat.

Wie das geht und welche Wirkung Aufräumen auf das Leben und die Psyche des Menschen hat, das erklärt Marie Kondo weit über die Grenzen Japans hinaus. Sie hat die „KonMari-Methode“ entwickelt und mit ihr mehr Menschen zum Aufräumen gebracht als Generationen mahnender Eltern. Ihr Ratgeber „Magic Cleaning“ wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und verkaufte sich über eine Million Mal. Für das Time Magazine gehört sie daher zu den hundert einflussreichsten Frauen weltweit. Inzwischen ist ihr Nachname im Englischen sogar zu einem Verb und Synonym für das Aufräumen geworden: „to kondo“.

Ist Ordnung nur für Spießer?

Aber Ordnung galt nicht immer als ein erstrebenswerter Zustand. In den Achtzigerjahren beantwortete man das Sprichwort „Ordnung ist das halbe Leben“ gerne mit dem Nebensatz „… die andere Hälfte ist mir lieber!“. Ordnungsliebhaber galten als steife, lustfeindliche Pedanten. Wo Zucht und Ordnung herrschen, vermutet man nicht viel Spaß und Freiheit. Auch heute noch ist die Party zu Ende, wenn das Ordnungsamt kommt. Und die Gesellschaftsordnung regelt klar den sozialen und politischen Aufbau einer Gesellschaft. Je nach Persönlichkeit kann eine solche Struktur Sicherheit ausstrahlen oder einengend wirken. Umgekehrt bedeutet das Fehlen gesellschaftlicher Regeln für den einen Chaos und Anarchie, für den anderen Freiheit und Selbstentfaltung.

Doch wie konnte sich ein Trend entwickeln, der immer mehr Menschen dazu bringt, Fotos ihrer aufgeräumten Schränke auf Instagram zu posten? Woher kommt diese Sehnsucht nach Ordnung? Nach Reduktion? Nach einem neo-asketischen Minimalismus?

Ordnung liegt uns im Blut

Die Antwort könnte in unserer Evolutionsgeschichte liegen. Der Jäger und Sammler in uns will jagen und sammeln. Für schlechte Zeiten und um zu überleben. Das war sinnvoll in einer Mangelgesellschaft – in einer Konsumgesellschaft, die es erst seit wenigen Generationen gibt, führt ein solches Verhalten auch zu übervollen Wohnungen. Die Gegenbewegung, der Minimalismus, der seit einigen Jahren ganze Foren füllt und eine wachsende Anhängerschaft um sich schart, setzt auf bewussten Konsumverzicht. Nicht im Sinne einer Selbstkasteiung, sondern als Befreiung.

In einer globalisierten, digital revolutionierten Welt werden Sachverhalte stets komplexer und Anforderungen an den Einzelnen anspruchsvoller. Unser Alltag ist geprägt von Reizüberflutung, das Gefühl einer Überforderung kann sich einstellen. Und so wächst der Wunsch nach Klarheit und Einfachheit. Am schnellsten und effektivsten können wir uns den ersehnten Überblick durch Aufräumen erfüllen.

Aufräumen als Neuanfang

Die KonMari-Methode beispielsweise verspricht, dass richtiges Aufräumen einen Neuanfang im Leben markieren kann. Denn die äußere Ordnung schafft auch eine innere. Durch das Lossagen von Besitz, der nicht mehr ins Leben passt, erhalten wir den Impuls, auch Lebensumstände, Beziehungen, Handlungsweisen loszulassen, die nicht mehr glücklich machen. So berichtet Autorin Marie Kondo von Frauen, die nach dem „Aufräumfest“ abgenommen haben, ihren Beruf gewechselt oder einen sonstigen Neu-anfang im Leben gewagt haben. Das Glück eines ordentlichen Zuhauses verleiht ganz offensichtlich jenes Selbstbewusstsein, jene Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die die nötige Energie für einen Neubeginn liefert. Welche Wirkung das Aufräumen auf Männer hatte, ist übrigens noch nicht erforscht.

Dem Chaos den Korb geben

Die Korbmethode ist das umgekehrte Prinzip des Einkaufens und geht ganz einfach.

Was Sie brauchen:

einen großen Korb (Größe: Wäschekorb) sowie Ehrlichkeit und Entschlussfreudigkeit.

Gehen Sie durch Ihr Zuhause und stöbern Sie. So, als würden Sie sich in einem Laden umsehen.

Legen Sie nun alle Dinge in den Korb, die Ihnen nicht mehr gefallen, die Sie nicht benutzen und also auch nicht mehr brauchen. Wenn der Korb voll ist, ist das Tagespensum erreicht: Der Inhalt kann entsorgt werden.

Anwendung: 7 Tage hintereinander einmal täglich

 

Die KonMari-Methodenach Marie Kondo

Ziel ist es, nur die Dinge zu behalten, die Freude bereiten und glücklich machen. Aufräumen ist gar nicht so schwer: Es geht eigentlich nur darum, Dinge wegzuwerfen und den Aufbewahrungsort zu bestimmen für jene Dinge, die nicht weggeworfen werden. Das Aussortieren kommt immer zuerst!

Nicht Zimmer aufräumen, sondern Dinge:

Zuerst Gegenstände nach Kategorien sortieren. Man beginnt mit emotional weniger wichtigen Dingen und arbeitet sich zu den Erinnerungsstücken vor: Kleidung, Bücher, Unterlagen, Kleinkram, Fotografien.

Ehrlich zu sich sein: Alle Dinge einer Kategorie auf einen Haufen werfen, zum Beispiel Kleidung. Jedes Stück in die Hand nehmen und sich fragen: Macht mich der Gegenstand noch glücklich, brauche ich ihn noch? Wenn ja: behalten; wenn nein: für die gemeinsame Zeit bedanken und aussortieren. Schwerer wird es dann schon bei der nächsten Kategorie, Bücher …

Übrigens: „War doch so teuer“ oder „Kann ich irgendwann noch mal gebrauchen“ zählt nicht. „Irgendwann kommt nie“, so Kondo.

Dinge übersichtlich einsortieren: Dinge, die man behält, bekommen einen festen Ort und werden übersichtlich einsortiert. Dabei hat Kondo eine ganz eigene Methode: Statt Kleidung im Schrank übereinander zu stapeln, wird die zusammengelegte Wäsche vertikal in Schubladen gestapelt, also nebeneinander gestellt.

Die aussortierten Dinge machen vielleicht jemand anderen glücklich. Warum nicht gemeinsam mit Freunden einen Flohmarktstand mieten und feilschen, was das Zeug hält? Alternativ bieten auch Online-Plattformen wie Ebay-Kleinanzeigen, Kleiderkreisel oder Momox gute Möglichkeiten, Gebrauchtes zu verkaufen.

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