Das mach ich später! Vielleicht.

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Ob Steuererklärung, ein wichtiges Projekt oder ein unliebsamer Anruf – jeder von uns hat schon mal etwas aufgeschoben. Doch wann wird die Aufschieberitis zu viel?

Raten Sie mal, wie lange ich diesen Text vor mir hergeschoben habe? Denn passend zum Thema hatte mich eine unserer modernen Zivilisationskrankheiten erwischt: Aufschieberitis, früher landläufig als Trödeln bekannt. Tagelang fand ich andere Aufgaben, die dringend erledigt werden mussten und mich vom Schreiben abhielten. Gleichzeitig blitzten mir immer wieder Ideen für den Text durch den Kopf, aber anfangen, in die Tasten zu hauen? Nö, lieber noch eine Mail beantworten. Doch auch wenn ich zu den Menschen gehöre, die gern mal etwas vor sich herschieben – seien es Texte, Steuererklärung, Zahnarztbesuch oder Fensterputzen –, insgesamt fange ich immer rechtzeitig genug an, um nie ernsthaft in die Bredouille zu kommen. Mein Motto: ein bisschen Zeitdruck gern, Zeitnot nein danke. Denn Stress suche ich nicht. Im Gegensatz zu ehemaligen Kommilitonen im Studium. Da gab es Spezialisten, die fingen wirklich immer zu spät an. Mit dem Lernen, den Hausarbeiten, egal was. „Oh Mann, ich habe die letzten drei Nächte durchgeackert“, stöhnten sie dann dramatisch und trugen ihre tiefen Augenringe wie Abzeichen. Und unsereins, der pünktlich und vor allem völlig unspektakulär seine Arbeit abgegeben hatte, beneidete sie klammheimlich um ihr auf-regendes Leben, das sie vom entspannten Arbeiten abhielt.

„Nur unter Druck entstehen Diamanten“ war ein beliebter Spruch dieser Leute, der es damals sogar zur eigenständigen Gruppe im mittlerweile verwaisten studiVZ brachte. In die ich übrigens niemals eingetreten bin. Meiner Erfahrung nach entstehen mit Zeit und Muße viel bessere Ergebnisse als unter Zeitdruck. Kreativität und Ideen brauchen einfach Freiraum, um sich zu entfalten. Und vielleicht noch die eine oder andere Nacht zum Überdenken. Ganz zu schweigen von der Überarbeitung, die meist bitter nötig ist, da der Fehlerteufel in so vielem steckt.

Übrigens litten meine früheren Kommilitonen nicht unter Prokrastination, auch wenn dieses Wort vielen gern im gleichen Atemzug mit Aufschieberitis über die Lippen kommt. Das Aufschieben von unangenehmen Aufgaben ist normal, sehr menschlich und unkritisch, solange es weder zu Leistungseinbußen noch zu subjektivem Leiden kommt. Prokrastination dagegen bedeutet extremes Aufschieben, eine krankhafte Arbeitsstörung, bei der die Betroffenen es gar nicht mehr schaffen, ihre Aufgaben fertigzustellen, oder nur unter sehr hohem Druck. Das kann wiederum zu vielen körperlichen und psychischen Beschwerden führen. Nicht selten müssen sich diese Menschen professionelle Hilfe suchen. Zum Glück beklagen die meisten von uns aber nur eine leichte Form der Aufschieberitis. Oder hier und da Vergesslichkeit, wie in meinem Fall. Einmal hatte ich doch tatsächlich verschwitzt, einen Text zu schreiben, dessen Deadline schon gefährlich nah war. Als meine Kollegin mich daran erinnerte, fiel ich aus allen Wolken. Kurzzeitig war ich wie gelähmt, aber wenige Minuten später flogen meine Finger rasend schnell über die Tastatur. Was für ein Rausch! Gepaart mit dem leisen Stolz, dass ich in kurzer Zeit durchaus ein gutes Ergebnis vorlegen konnte. Vielleicht sollte ich doch noch öfter mal was aufschieben?

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