Seitenstechen – Fieses Zwicken

Fast jeder kennt das plötzliche Ziehen, doch die Ursachen sind noch nicht völlig geklärt. Tipps für schnelle Abhilfe

Abrupt bleibt das kleine Mädchen stehen. Gerade noch rannte die Fünfjährige ihrem größeren Bruder davon. Jetzt presst sie die rechte Hand auf den Bauch und stöhnt: „Au, tut das weh.“ Kinder und Jugendliche bekommen oft Seitenstechen. Ein Grund: „Sie wärmen sich nicht auf, sondern laufen einfach los“, erklärt Professor Hans-Georg Predel, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Aber auch Erwachsene sind vor dem Zwicken unterhalb des Rippenbogens nicht sicher. „Falsches, also flaches, unrhythmisches Atmen führt bei längeren körperlichen Aktivitäten zu Seitenstechen“, erläutert Predel. „Das Problem verschwindet aber meist mit steigender Kondition und verbessertem Trainingszustand von alleine.“

Die Stiche sind schmerzhaft, aber in der Regel harmlos. Allerdings können sich hinter dem fiesen Ziehen ernstere Beschwerden verbergen.

„Linksseitiges Stechen kann durchaus ein Hinweis auf Herzdurchblutungsstörungen sein. Auch Magen- und Darmbeschwerden können als Seitenstechen fehlinterpretiert werden“, gibt Predel zu bedenken. Im Zweifelsfall sollten Betroffene die Symptome von einem Arzt überprüfen lassen.

Was genau die unliebsame Begleiterscheinung beim Joggen, Radfahren oder Schwimmen auslöst, ist bis heute nicht hundertprozentig geklärt. Eine eindeutige Ursache gibt es nicht, vielmehr werden verschiedene mögliche Auslöser diskutiert.

Eine Theorie geht davon aus, dass beim Seitenstechen verschiedene Organe wie Leber, Milz, Magen sowie Darm nicht ausreichend durchblutet werden. So könnte beispielsweise anstrengender Ausdauersport, bei dem das Blut vor allem für die stark arbeitende Muskulatur beansprucht wird, zeitweise zu einer Unterversorgung der Leber führen und dadurch einen Spannungsschmerz in der Leberkapsel hervorrufen. Das würde erklären, warum die Stiche oft auf der rechten Seite auftreten.

Auch eine mangelnde Durchblutung des Darms gilt als mögliche Ursache für die Beschwerden. Professor Klaus-Michael Braumann, Leiter des Instituts für Sport- und Bewegungsmedizin in Hamburg: „In diesem Fall wären Gase, hervorgerufen durch Darmkrämpfe, schuld am Ziepen unter dem Brustkorb.“

Die bevorzugte Annahme unter Sportmedizinern ist jedoch, dass eine Fehlbelastung des Zwerchfells – unser wichtigster Atemmuskel – zu den Stichen führt. „Möglicherweise wird dies unterstützt durch falsche Ess- und Trinkgewohnheiten“, vermutet Predel.

Wer Seitenstechen verhindern möchte, sollte nicht gleich nach dem Essen trainieren. Die Verdauungsorgane stehen nämlich in direkter Verbindung zum Zwerchfell, das von gefüllten Organen mächtig strapaziert wird.

Als Faustregel gilt:
ein bis zwei Stunden vor der körperlichen Betätigung nichts Schweres essen. Trinken ist dagegen erlaubt, vor sportlichen Aktivitäten sogar empfehlenswert. Die Getränke sollten aber nicht zu kalt sein und keine Kohlensäure enthalten.

Langsames Aufwärmen sowie bequeme Kleidung, die eine unbehinderte Atmung zulässt, tragen ebenfalls dazu bei, dass Seitenstechen erst gar nicht entsteht.

Die Personal-Trainerin Diana Hochgraefe aus Hamburg rät allen Joggern zudem, auf die richtige Körperhaltung zu achten. „Viele Laufanfänger nehmen beim Joggen die Arme zu hoch, was zu muskulären Verspannungen im Schulterbereich führen kann und häufig von Seitenstechen begleitet wird.“

Schnelle Hilfe bei Seitenstechen: Das Tempo reduzieren oder gleich eine Pause einlegen und ganz bewusst in den Bauch hinein atmen. Sportmediziner Klaus-Michael Braumann rät: „Tief einatmen, sodass sich der Bauch nach vorne wölbt. Beim Ausatmen den Bauch nach innen ziehen. So verschwinden die Beschwerden schnell.“

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