Nachhaltiger Konsum – eine Nummer bewusster

Wie viele Menschen achtet unsere Autorin auf einen nachhaltigen Lebensstil. Nur bei Mode fiel ihr das bisher schwer. Mit einem kleinen Trick gelingt es ihr nun – auf den Shoppingbummel muss sie trotzdem nicht verzichten.

Okay, es reicht. Das dachte ich vor Kurzem, als ich vor meinem Kleiderschrank stand, der aus allen Nähten platzte. Nichts gefiel mir darin, und ich ertappte mich, dass ich schon wieder über den nächsten Kauf nachdachte. Mir wurde bewusst, dass mein Konsumverhalten nicht wirklich einer Linie folgt. Neben „abgelegten“ Stücken befinden sich im Schrank leider auch sehr viele Fehlkäufe. Auch ich bin offensichtlich Teil der schnelllebigen Modebranche, die unsere Umwelt belastet. Jeder Fehlkauf gleicht einer nicht genutzten Ressource.

In welchen Teilen fühle ich mich wohl? Was kann und will ich kombinieren?

In anderen Bereichen fällt mir der bewusste Konsum nicht so schwer: Wasch- und Putzmittel ohne umweltbelastende Inhaltsstoffe? Selbstverständlich. Fleisch, wenn überhaupt noch, nur aus der Bio-Metzgerei. Wenn ich verreise, nehme ich am liebsten die Bahn. Für kurze Strecken steige ich auf das Fahrrad, damit ist man in der Stadt ja sowieso schneller. Und für den Kaffee to go gibt es nun in vielen Städten schon ein Mehrwegbechersystem, zum Beispiel der Firma Recup. Auf diese Weise erspart man der Umwelt den Müll zigtausender Einwegbecher.

Mit diesem Umdenken bin ich glücklicherweise nicht alleine. Die Zahl der Menschen, die sich Gedanken über die sozialen und ökologischen Konsequenzen ihrer gewohnten Kauf- und Alltagsentscheidungen machen, steigt. Laut einer Studie der Online-Plattform utopia.de von 2020 hat die Bedeutung von Nachhaltigkeit in fast allen Konsumbereichen zugenommen, insbesondere bei jungen Leuten zwischen 18 und 34 Jahren. Vor allem bei Lebensmitteln, aber auch bei Körperpflege und Kosmetik, Haushaltsartikeln, Energie, Mobilität sowie Kleidung und Mode spielen Umwelt, Ethik und Soziales eine immer größere Rolle.

Gemäß der Definition der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung geht es bei einer nachhaltigen Entwicklung darum, die Bedürfnisse der Gegenwart nicht auf Kosten der künftigen Generationen zu befriedigen. Gerade im Bereich Mode wurde dies lange Zeit nicht berücksichtigt. Mein Kleiderschrank ist sicher nur einer von vielen, die vollgestopft sind mit schnell produzierter Wegwerfmode. Warum fiel mir ein bewusster Umgang mit Kleidung nur so schwer?

Ich vermute, dass gerade beim Thema Mode das Spontane und Unvernünftige eine große Rolle spielen. Sie ist je nach Tagesform manchmal Teil eines ausgelassenen Shoppingrituals mit Freundinnen oder aber eine schnelle Kompensation für Frustrationen. Sehr oft hatte ich das Gefühl, mir etwas Schönes zu gönnen, das mein Budget nicht allzu sehr belastet. Damit sollte nicht ganz Schluss sein, aber ich wollte es doch nachhaltiger angehen.

Mithilfe einer Freundin habe ich zunächst alle Stücke in meinem Schrank anprobiert und hart selektiert: In welchen Teilen fühle ich mich wohl? Was kann und will ich kombinieren? Was habe ich seit zehn Jahren nicht mehr getragen? Die Kleidungsstücke, die ich auf Basis dieser Fragen aussortiert habe, hätten den Grundstock einer kleinen Boutique ergeben. Ich habe mich dazu entschieden, manche Stücke bei eBay zu verschenken, andere habe ich dem Kleiderkreisel und Secondhandshops übergeben.

So weit will ich es künftig gar nicht erst kommen lassen. Wann immer ich bummeln gehe, achte ich vor dem Kauf nicht nur auf Produktionsstandards, sondern rufe mir das Bild meines Kleiderschranks vor Augen und überlege: Passt das Stück da rein? Wird es mich auch in einigen Jahren noch begleiten können? Kann ich den Kauf verantworten? Das klappt erstaunlich gut. Und macht genauso viel Spaß.

jab //

Experten-Interview: Drei Fragen aan Sunray Dollase, Diplom-Pädagogin und Buchautorin

1. Capsule Wardrobe – was ist das eigentlich? Ein Kleiderschrank voller Lieblingsteile! Auf Deutsch würde man Capsule Wardrobe als Kapsel-Garderobe übersetzen. Sie beinhaltet eine reduzierte und in sich funktionierende kleine Auswahl an Kleidungsstücken in guter Qualität, deren Teile maximal untereinander kombinierbar und für alle Anlässe einsetzbar sind.

2. Warum lohnt sich das? Wir schonen dabei Ressourcen auf vielen Ebenen: unsere Zeit und Energie, unser Geld, aber auch die Umwelt. Eine Mini[1]Garderobe kann dabei helfen, einen individuellen Stil zu finden. Denn sie reduziert die Gefahr von Fehl- und Impulskäufen. Zu guter Letzt steckt in dem Konzept die Chance, sein generelles Konsumverhalten nachhaltig zu ändern. Der Wert der wenigen Sachen, die ich dann noch besitze, steigert sich; wir investieren bestenfalls in höherwertige, langlebige Kleidung, was auf lange Sicht auch Müll reduziert.

3. Klingt gut – doch wo fange ich an? Eine professionelle Farbberatung kann in meinen Augen dabei unterstützen, den Kleiderschrank auszusortieren und auch beim zukünftigen Shoppen helfen. Solche Kurse gibt es zum Beispiel relativ günstig an Volkshochschulen. Sie ist aber kein Muss für eine Capsule Wardrobe. Vor allem sollte man sich ehrlich fragen: Warum habe ich denn einen vollen Kleider          schrank, will davon aber nichts anziehen? Das gilt es zu erforschen. Mir persönlich ging es nie darum, möglichst wenig Kleidungstücke zu besitzen, sondern das Richtige in meinem Schrank vorzufinden. Ich will morgens vor einem Kleiderschrank stehen, in dem nur passende Teile hängen, in denen ich mich wie „ich“ fühle – und zwar den ganzen Tag.

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