Fit in 20 Minuten? – EMS-Training

EMS

„Fit in 20 Minuten pro Woche!“ So und ähnlich werben EMS-Studios. Sie setzen auf Training, bei dem die Muskeln niederfrequente elektrische Impulse erhalten. Dadurch sollen diese um ein Vielfaches effektiver arbeiten als sonst. Vielleicht das Richtige für unsere Autorin?

Sport und ich sind keine Freunde. Weil ich schlank bin, habe ich es leicht, mir einzureden, dass ich ihn auch gar nicht bräuchte. Aber: Ich bin fast vierzig! Tief im Innern weiß ich, dass es dringend an der Zeit ist, dem Sport doch noch mal eine Freundschaftsanfrage zu senden. Zu viel Zeit möchte ich aber nicht investieren, da bietet sich das EMS-Training an.
Das Studio, das ich mir ausgesucht habe, steht unter ärztlicher Leitung. Das finde ich vertrauenerweckend, zumal ich gelesen habe, dass falsch ausgeführtes EMS-Training sogar schlecht für die Gesundheit sein kann. Statt normaler Sportkleidung trägt man beim EMS einen speziellen Anzug. „Er liegt direkt auf der Haut auf und ist aus einem Gewebe, das den Strom leiten kann“, erläutert Max Blaum, der mir im Studio „Körperformen“ in Hürth-Efferen als Trainer zur Seite steht. Anschließend kommen jede Menge Gurte und Kabel ins Spiel. Um die Leitfähigkeit zu verbessern, sprüht Elisea, eine weitere Trainerin, Wasser auf die Bandagen, die Max mir nach und nach an den Oberarmen, Oberschenkeln und um den Rumpf festzurrt. Puh! „Fühlt sich an wie ein Korsett“, beschwere ich mich. „So muss das sein“, grinst Max.

EMS in Kürze
Was? EMS steht für „Elektrische Muskelstimulation“. Beim natürlichen Bewegungsablauf erhalten Muskeln Reize vom Nervensystem. Muskeln reagieren aber auch auf elektrische Reize, die von außen auf die Haut treffen. Durch EMS spannt die Muskulatur sich deutlich intensiver an, als das mit herkömmlichen Trainingsmethoden möglich wäre.
Wo? Es gibt viele spezialisierte EMS-Studios. Entscheiden Sie sich nicht ohne Probetraining! Fragen Sie, ob die Trainer für EMS ausgebildet sind. Vereinzelt bieten Physiotherapie-Praxen EMS an.
Wie viel? Die Kosten liegen zwischen 22 und 35 Euro pro Einheit – abhängig von den jeweiligen Konditionen. Dazu kommt einmalig die Studiogebühr und die Anschaffung des Trainingsanzuges: zusammen noch einmal ca. 160 Euro.

Ein ungewohntes Kribbeln

Mit meinem eingeschnürten Körper komme ich mir so beweglich vor wie das Michelin-Männchen. Wie soll ich jetzt noch Sport machen? „Wir fangen ganz entspannt an“, verspricht Max, während er mich an einer Konsole verkabelt und an Knöpfen dreht. Nach und nach baut sich am ganzen Körper ein ungewohntes Kribbeln auf, erst auf der Haut, dann tiefer. „Gut so“, muss ich sagen, oder: „Zu viel!“ Genau das gehört zur Kunst ausgebildeter EMS-Trainer: die Intensität der Impulse in Abstimmung mit den Trainierenden gerade im richtigen Maß einzustellen.

„Da geht noch was!“

Wie Max es mir zeigt, stelle ich mich in die Grundposition und ahme seine Bewegungen nach. Das ist eigentlich nicht sehr schwer, sondern macht sogar Spaß: Arme vor, Arme zurück. Den linken Ellenbogen zum rechten Knie führen und umgekehrt. „Auf einer Skala von ‚Eins – ganz entspannt‘ bis ‚Zehn – geht gar nicht‘, wie fühlst du dich?“, möchte Max wissen. „Drei“, sage ich, denn das Korsettgefühl hat sich inzwischen verflüchtigt. Der Trainer staunt. „Echt? Na, dann geht noch was!“ Schon dreht er ein wenig an den Reglern und ich spüre jetzt bei jeder Bewegung einen leichten Widerstand. Warum muss ich auch immer so ehrlich sein? Aber aushalten kann man es doch, selbst untrainiert, wie ich es bin.
Nach der letzten Übung fühle ich mich längst nicht so schlapp wie nach einer Stunde klassischem Fitnesstraining. Mir gefällt auch, dass man hier immer einen Personal Trainer zur Seite hat. Das motiviert und macht Spaß. Max nennt außerdem noch einen anderen Aspekt: „Wir Trainer achten auf die Haltung, die Qualität der Bewegungsausführung und das Bewegungstempo des Trainierenden. Wenn man Übungen falsch ausführt, kann man sich eine falsche Haltung antrainieren oder durch zu hohe Intensität die Muskeln schädigen.“
Auf dem Heimweg ertappe ich mich dabei, dass ich in Gedanken schon plane, auf welchen Tag und in welches Zeitfenster ich ein regelmäßiges Training künftig legen könnte. jt //

Experten-Interview mit Dr. med. Niels Freitag

Dr. med. Niels Freitag leitet die EMS-Studios „Körperformen“ in Hürth-Efferen und Brühl bei Köln.

Für wen eignet sich EMS?

EMS eignet sich für fast jeden, besonders profitieren aber sicherlich diejenigen mit Beschwerden des Bewegungsapparates, also zum Beispiel mit Rücken- oder Gelenkschmerzen. Hier erfahren viele durch die gelenkschonende Kräftigung der Muskeln schon nach wenigen Wochen eine deutliche Besserung. Wir empfehlen EMS aber selbstverständlich auch zur Vorbeugung, etwa für diejenigen mit einer hauptsächlich sitzenden Tätigkeit. Interessant für alle Frauen: Auch der Beckenboden ist ein Muskelsystem, das vom regelmäßigen Training besonders profitiert.

Worauf sollte man bei der Auswahl eines EMS-Studios achten?

Ein extrem wichtiger Punkt: Leider ist durch den regelrechten Boom eine qualitativ hochwertige Betreuung nicht immer in allen Studios gewährleistet. An erster Stelle ist die Qualifikation des Personals zu nennen. EMS sollte niemals ohne Anleitung durch spezialisierte Trainer angewendet werden, die die Übungen durchgehend überwachen.

Gibt es auch Risiken oder besondere Situationen, in denen von EMS abzuraten ist?

Ja. Für Schwangere, Menschen mit elektrisch aktiven Implantaten wie Herzschrittmachern oder Patienten mit gewissen neurologischen Erkrankungen wie etwa Epilepsie ist das Training nicht geeignet.

Fit in 20 Minuten – stimmt das wirklich?

Ein EMS-Training pro Woche reicht für den Muskelaufbau deshalb aus, da bei jedem Impuls der ganz überwiegende Teil aller unserer Muskeln angesprochen wird. Wir müssen also nicht wie im Fitnessstudio Muskelgruppe für Muskelgruppe nacheinander „abarbeiten“. Trotzdem empfehlen wir zusätzlich noch die Kräftigung des Herz-Kreislauf-Systems, etwa durch Radfahren oder Laufen.

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