Parodontitis, Schwund im Mund

Parodontitis kann bis zum Zahnausfall führen. Diabetiker sind besonders gefährdet.

Erinnern Sie sich noch an diesen quietschgrünen Apfel? In den biss vor rund 30 Jahren kraftvoll eine Dame im Werbefernsehen, um ihn dann stolz dem staunenden Publikum zu präsentieren: kein einziger Blutstropfen im zartweißen Apfelfleisch, ihrer Zahnpasta sei Dank – und der Beweis für ein kerngesundes Zahnfleisch. Hätte es geblutet, hätte der Zahnarzt wohl eine Parodontitis (fälschlich oft auch als Parodontose bezeichnet) diagnostiziert, eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparates („Parodont“). Denn Zahnfleischbluten ist einer der ersten Hinweise auf diese Krankheit. „Zum Parodont gehören die Zahnwurzel, das Zahnfleisch, die Bänder, die den Zahn mit dem Kieferknochen verbinden und festhalten, und der Kieferknochen“, erklärt Prof. Dr. Wolf-Dieter Grimm, Leiter der Abteilung für Parodontologie der Fakultät für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Witten/Herdecke.

Verursacher der Parodontitis sind eine Reihe verschiedener Bakterien. Sie gehören zur normalen Mundflora, werden aber normalerweise vom Immunsystem in Schach gehalten. Probleme gibt es erst, wenn sie plötzlich beginnen, sich zu vermehren. Bevorzugter Tummelplatz der Bakterien ist der Zahnbelag. Wird er nicht regelmäßig weggeputzt, breitet er sich zwischen Zahnhals und Zahnfleisch aus, wo die Parodontitis-Bakterien ein besonders günstiges Milieu finden: Denn dort, wo kein Sauerstoff hingelangt, fühlen sie sich am wohlsten. Hier können sie sich so stark vermehren, dass ein regelrechter Bakterienfilm entsteht, ein „Biofilm“.

Das Zahnfleisch entzündet sich
Das Zahnfleisch reagiert irritiert auf die Bakterien und ihre Stoffwechselprodukte, es entzündet sich und kann bei Berührungen leicht bluten. Im weiteren Verlauf bilden sich dann Zahnfleischtaschen, die betroffenen Zähne werden mit der Zeit locker und fallen letztendlich aus. In fortgeschrittenen Fällen kann sich auch der Kieferknochen entzünden und zersetzen. „Diabetiker erkranken besonders häufig an Parodontitis“, sagt Professor Grimm. Die Gründe dafür wurden in einer Studie untersucht. „Dabei hat sich herausgestellt“, so Grimm, „dass bei hohen Blutzuckerwerten bestimmte Stoffwechselendprodukte anfallen, die sich rund um den Zahn ablagern und die Widerstandskraft des Gewebes schwächen. Dadurch entsteht ein Milieu, das Entzündungen begünstigt.“ Ein weiterer Grund für das erhöhte Parodontitisrisiko von Diabetikern dürfte darin liegen, dass langfristig erhöhte Blutzuckerwerte das Immunsystem schwächen. Dadurch können sich Parodontitis-Bakterien unkontrolliert vermehren.

Ähnlich übrigens wie bei Rauchern, die ebenfalls häufiger an Parodontitis erkranken. Rauchen ist nicht nur für das allgemeine Immunsystem schädlich, die Nikotinschwaden schwächen die ortsständigen Abwehrzellen im Mund auch direkt, so dass das Zahnfleisch sich gegen die Bakterien schlechter zur Wehr setzen kann.

„Die wichtigste Vorbeugemaßnahme gegen Parodontitis ist bei Diabetikern eine gute Stoffwechseleinstellung“, sagt Prof. Dr. Wolf-Dieter Grimm. „Genauso wichtig ist aber auch eine optimale Mundhygiene. Am besten“, so der Parodontologe, „lässt man sich die Putztechnik von seinem Zahnarzt vor einem Spiegel erklären.“ Denn ein Pauschalrezept für die richtige Putztechnik gibt es nicht. Kein Gebiss ist wie das andere – Brücken, Füllungen oder zu eng stehende Zähne können ganz spezielle Reinigungsmaßnahmen erforderlich machen.

Der Zahnarzt muss Bescheid wissen
Der Zahnarzt weiß auch, welche Zahnbürsten-Härte die richtige ist und ob zum Beispiel besondere Zahnbürsten wie Büschelbürsten, Zahnseide oder sonstige Putzutensilien zum Einsatz kommen sollen. Auch spezielle, hoch dosierte Fluorid-Gele sollten erst nach Absprache mit dem Arzt verwendet werden. „Wichtig ist, seinem Zahnarzt zu sagen, dass man einen Diabetes hat“, sagt Wolf-Dieter Grimm. Im Übrigen kann sich eine schwere Parodontitis vermutlich auch ungünstig auf die Stoffwechseleinstellung eines Diabetikers auswirken, so dass es wichtig ist, auch den behandelnden Diabetes-Arzt über das Problem im Mund zu informieren. Mindestens einmal jährlich sollte sich jeder Diabetiker vom Zahnarzt untersuchen lassen. Als Vorbeugemaßnahme empfiehlt sich außerdem die professionelle Zahnreinigung, bei der der Zahnarzt mit speziellen Handinstrumenten Beläge entfernt, die die Zahnbürste nicht erreicht.

Ein Fall für den Spezialisten
Besteht bereits eine Parodontitis, ist das ein Fall für den spezialisierten Zahnarzt, den Parodontologen. Dieser kann den Biofilm mit einem Ultraschallgerät entfernen und mit speziellen Instrumenten die Oberfläche der Zahnwurzel glätten – denn je rauer sie ist, desto leichter haften die Bakterien. Anschließend folgt in der Regel eine parodontale Erhaltungstherapie, zu der regelmäßige Kontrolltermine beim Parodontologen und eine perfekte Mundhygiene gehören. Die Erhaltungstherapie ist vor allem dann wichtig, wenn ein hohes Risiko besteht, dass die Parodontitis wieder aufflackert ? wie zum Beispiel bei Diabetikern. In schweren Fällen, wenn der Kieferknochen schon Schaden genommen hat, hilft meist nur eine Operation, bei der der Parodontologe das verloren gegangene Stützgewebe des Zahns chirurgisch wiederherstellt.

Immerhin: Dank der modernen Therapiemethoden sind Zahnlücken kein unausweichliches Schicksal mehr.

Diabetiker Ratgeber

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